Virtual Travelbook – Madeira (6)

Hoch hinaus (1)

Nachdem ich nun bereits unter anderem ein wenig über Madeiras wunderschöne, wilde Küsten und meine Levedaerfahrung geplaudert habe, möchte ich diesmal einen kleinen Einblick in einen Abschnitt von Madeiras Hochland geben. Ich kann an dieser Stelle ganz grundsätzlich nur einmal Folgendes betonen: Obwohl die Insel wirklich nicht groß ist, hatte ich, egal, wo ich mich befand, jedes Mal das Gefühl gehabt, an völlig verschiedenen Orten zu sein. Diese unglaubliche landschaftliche Vielfalt ist eventuell für mich genau das, was Madeira für mich zu einem ganz besonderen Fleckchen Erde macht und ich hoffe, euch die Vielfalt durch meine Erlebnisberichte ein klitzekleines bisschen näher bringen zu können.

Ab Porto Moniz gen Süden

Wie hier bereits angekündigt https://perseichi.com/2020/04/22/virtual-travelbook-3-madeira/ widme ich diesen Beitrag der Route Paul da Serra – Encumeadapass, einer Alternativroute zur Schnellstraße zwischen dem Norden und Süden der Insel, und switche zunächst zurück zu besagtem Tag, an welchem ich ohne Navi, nur mit altmodischer Straßenkarte, diese Route austüftelte.

Ich startete dabei ab Porto Moniz und sah mich erstmalig auf Madeira in meinem kleinen Fiat-Leihwagen vor persönlich doch extreme Herausforderungen an meine Fahrkünste gestellt (und nicht zu vergessen, Vertrauen in mein Mietauto und vor allem in dessen Bremsen). Los ging es mit einer schon recht ordentlichen Steigung in den höher gelegenen Ortsgebieten von Porto Moniz, inklusive für deutsche Verhältnisse der Beachtung recht enger Kurven bei seitlich parkenden Autos und Gegenverkehr.

Diese gesamte Situation sorgte für einen ausgewachsenen Adrenalinschub, sodass ich dann doch erst einmal maximal schissig bei nächstbester Gelegenheit anhielt, um meine Panik-vor-dem-Gefälle wegzuatmen und meine zittrigen Beine wieder in einer Weise unter Kontrolle zu bringen, die mir das Betätigen der Gangschaltung überhaupt erst ermöglichte. Halbwegs nach derlei Maßnahmen gefasst war ich dann aber durchaus dazu in der Lage, mein Gefährt und mich soweit wieder zu beherrschen, dass eine Weiterfahrt möglich wurde, auch wenn es dann im Folgenden zuerst im Straßenverlauf noch steiler, serpentinenreicher und enger wurde. Irgendwann jedoch hatte ich Porto Moniz (und die Serpentinen) soweit hinter mir gelassen, dass ich – erneut schnaufend – an einem Parkplatz rasten konnte, von wo aus eine absolut phänomenale Sicht auf Porto Moniz geboten wurde. Ich rauchte mir erstmal eine, um von dem Adrenalinkick wieder ‚runterzukommen, und genoß dabei in aller Ruhe den Ausblick. Dazwischen hatte ich noch eine nette kleine Plauderei mit anderen Madeira-Touristen, die soeben aus ihrem Ausflugsbus gestiegen und ganz neugierig waren, was ich, so ganz allein die Insel erkundend, vorhatte.

Aussicht auf Porto Moniz

Paul da Serra

Im Anschluss an diesen Parkplatz-mit-heftiger-Aussicht – hochwahrscheinlich einer von Madeiras zahlreichen Miradouros, aber, falls ja, so vergass ich damals vor lauter Aufregung den Namen des Aussichtspunkts – und den Haarnadelkurven wird sodann die Route für den nervösen Autofahrer endlich wieder gemäßigter. Da ich die Strecke im weiteren Verlauf mehrfach fuhr, verbuche ich im Nachhinein die steilen Serpentinen ab Porto Moniz als Erst-Schockmoment, der dem bis dato noch ungeübten Madeirastraßenfahrer kurzfristig ordentlich zusetzen kann, bis Gewöhnungseffekte eintreten :-).

Nach Abbiegen (Hinweisschilder) und der Durchquerung eines kleinen Waldabschnitts ist man bereits auf Madeiras Hochebene, der Paul da Serra. Hierbei handelt es sich um Madeiras zentrales Hochplateau. Die Temperatur kann hier im Vergleich zur Küste, nord- wie südwärts, um einige Grade deutlich abfallen; leichte, windfeste Jacken schaffen rasch Abhilfe. Die Gegend selbst besticht auf den ersten Blick durch blühenden Ginster, und zwar so weit das Auge reicht, eilig dahin ziehenden Wolken und der ein oder anderen Kuh, die urplötzlich, frei herumlaufend, im Nebel auftaucht. Bei wolkenlosem Himmel hat man von hier aus übrigens je nach Standort sowohl einen Blick auf die Nord-, als auf die Südküste.

Aww!
Blick auf die Südküste von Paul da Serra
Blick auf die Nordküste von Paul da Serra

Paul da Serra bzw. die Strecke über den Encumeadapass (beide Richtungen) dient zudem als Ausgangspunkt für Ziele auf Madeira, die sich in diesem Beitrag dann doch nur kurz anreißen lassen: Fanal, Madeiras „Feenwald“, dem Rabacal-Naturschutzgebiet und etlichen Levadas, u.a. in Paul da Serra selbst.

Tipp: Eine kleine, ebenerdige, aber ausgesprochen hübsche Levada spazierte ich (wandern darf man das nicht nennen!) bei einer meiner weiteren Touren auf der Paul da Serra entlang, in Stille und völliger Einsamkeit! Endpunkt war einer von Madeiras berühmten Barbecue-Plätzen – die Einheimischen lieben ihre Grillplätze, und ich im Übrigen auch – inmitten eines kleinem Wäldchens. Zu finden auf einer Seitenstraße der ER 110 hinter der Kreuzung, die zu Fanal führt.

Ein Barbecue-Platz in Paul da Serra

Paul da Serra – Encumeadapass

Aber ich schweife mal wieder ab, denn an jenem Tag 3 auf der Insel, während meines zweiten Madeiraaufenhalts, einem einzigen Tag von 14, wovon für mich jeder einzelne (zuzüglich den gerade mal sieben Tagen meiner ersten Madeirareise) zusammenfassend mindestens die Wertung legendär verdient hat, fuhr ich ja schlichtweg, zuzüglich ein paar Pausenstopps, die Strecke von Porto Moniz aus wieder auf die südliche Seite der Insel ab.

Am Ende des besagten Tages 3 hatte ich jedenfalls, vollkommen überwältigt von der Schönheit um mich herum, ein derartiges High, dass meines Erachtens keine Substanz dieser Welt ausreicht, um ein solches künstlich zu erzeugen: Inmitten dieser atemberaubenden Landschaft zu sitzen, die frische, klare Luft zu atmen, sich dabei auch ein wenig klein und vor allem ehrfürchtig zu fühlen, und zu denken: Das geschieht dir gerade, dir, ganz allein, in genau diesem Moment, den du für immer und immer behalten und festhalten wirst, vollkommen egal, was dir noch in deinem Leben passiert. Du kannst in deiner Erinnerung, die dir niemand mehr nehmen wird, für immer in diesen Moment zurück, indem du so unfassbar glücklich, lebendig und frei gewesen bist.

Encumeadapass
Wohlfühlselfie mittendrin

Virtual Travelbook (5) – Madeira

Der wilde Norden Madeiras – oder, Nordosten

Diesmal entführe ich euch zu einem anderen bezaubernden und ebenfalls unberührten Teil Madeiras – „das andere Norden“, sozusagen. Bereits hier https://perseichi.com/2020/04/22/virtual-travelbook-3-madeira/
zeigte und erzählte ich ja ein bisschen über die Nordküste zwischen Sao Vicente und Porto Moniz, dieser Abschnitt war mir ja auch von meinem ersten Aufenthalt bereits bekannt. Die andere Hälfte der Nordküste bzw. einzelne Locations wie Santana und Porto da Cruz (wenn dieser Ort bereits zur Nordküste dazu gehört, eigentlich liegt es ja ziemlich „hälftig“ in der östlichen Inselmitte) habe ich bei meinem ersten Aufenthalt ebenfalls per Tour besucht, was mich dann jedoch im Alleingang u.a. auf der wunderschönen Nebenroute ER 101 erwartete, kannte ich noch gar nicht.

Porto da Cruz – Santana – Sao Jorge – Boaventura – Ponta Delgada – Sao Vicente

Streng genommen müsste die Aufzählung der Ortschaften genau andersherum lauten, da ich u.a. die Route ER 101 beim ersten Mal ab Sao Vicente gefahren bin. Weil ich sie aber so zum Sterben schön fand, bin ich sie noch ein weiteres Mal gefahren – in der Reihenfolge der Überschrift, ab Canico aus, in dem sich mein Hotel befand. Wie rum auch immer, ist ja wurscht, schön bleibt einfach schön!

Porto da Cruz

Achja, mit seinem Wahrzeichen, dem Adlerfelsen (Penha d‘ Águia): Für mich ist die Bucht von Porto da Cruz ein spiritueller, ja, fast schon heiliger Ort, den ich übrigens mehrfach aufsuchte, dabei bin ich weder religiös noch habe es grundsätzlich mit Meditation und Mystik oder so. Dort, am Adlerfelsen, hatte ich jedoch, in dessen Schatten, zusammen mit der Brandung, die mächtig tosend in die kleine Bucht rein rollte, so quasi meditative Momente, in denen ich einfach nur selbstzufrieden im Hier und Jetzt den Wellen lauschte und die rasch dahinziehenden Wolkenfetzen über dem beinahe 600m hohen Felsen beobachtete. Stundenlang konnte ich dort verweilen, einfach zuschauen und lauschen, oder auch mal um die Biegung hinter der Bucht spazieren, in der die Gischt gewaltige Fontänen erzeugte; Mutigere als ich nahmen den Fußweg am Hang entlang und mussten zum Teil sehr schnell rennen, um nicht vom meterhoch aufspritzenden Wasser erwischt zu werden.

Der Adlerfelsen
Action in Porto da Cruz

Von Porto da Cruz aus empfiehlt sich ein kleiner Abstecher nach Faial, bevor es weiter Richtung Santana geht. In Faial gibt es einen weiteren Aussichtspunkt, den Miradouro do Guindaste (bzw. Crane Viewpoint), welcher, wie ich finde, nicht zu Unrecht zu den Must sees auf Madeira gehört. Das Schild steht übrigens nicht einfach so zum Spaß da! Bei meinem ersten Aufenthalt in Madeira hatten ein paar Witzbolde auf dem Schild einen Kommentar hinterlassen gehabt, der durchaus treffend ist (beim zweiten Aufenthalt war das Schild gesäubert von „fuck“).

Warnhinweis am Miradouro do Guindaste
…den man Ernst nehmen sollte. Das war schon nah genug.

Ab Santana

Ich ließ Santana jeweils links liegen, da ich diesen Ort bereits von meiner ersten Reise kannte. Santana ist vor allem für seine traditionellen Häuschen bekannt und deswegen ein bekanntes, und, wie ich finde, leider komplett überlaufenes Touristenziel. Bei meinem zweiten Aufenthalt diente mir Santana vorwiegend als Ausgangspunkt für weitere Erkundungen.

Tipp: Die Landschaft um Santana herum ist herrlich, auch befindet sich der Parque Florestal das Queimadas und diverse Levadas (z.B. Caldeirão Verde, siehe https://perseichi.com/2020/04/28/virtual-travelbook-4-madeira/) in unmittelbarer Nähe.

Der Routenverlauf ab Santana gestaltet sich dann serpentinenreich und an einigen Ecken, besonders auf der alten ER 101, auch nichts für allzu schwache Nerven beim Befahren. Allerdings wurde ich mit so viel Schönheit dermaßen erschlagen, dass ich mehr als einmal an der Straße anhielt (natürlich in den zahlreichen zur Verfügung stehenden Parkbuchten, bedingt etwa durch Grillplätze – im Nordosten eher rar – oder bedingt durch Parkmöglichkeiten selbst).

On the road

Einschub (1): Zum Thema Autofahren auf Madeira

Ich kann nur jedem empfehlen, der auf eigene Faust in Madeira mit dem Mietwagen unterwegs ist, sich ausreichend Zeit zu nehmen, wachsam und aufmerksam zu sein, und vor allem nicht in Panik zu verfallen, wenn es mal sehr eng, gar einspurig, wird, dann vielleicht ggf. noch ordentlich Steigung und/oder Gefälle hinzu kommt. Bei völlig unübersichtlichen Strecken: Hupen ohne Scheu!

Hilfreich fand ich jedes Mal zudem einerseits das Vertrauen in die eigenen Fahrkünste, aber andererseits eben auch keine Neigung zur Selbstüberschätzung geschweige Konkurrenzverhalten. Gut möglich, dass der ein oder andere Einheimische mal zum Schnellfahren verleitet. Man sollte sich dabei aber auch vor Augen führen, dass Einheimische viel geübter sind beim Befahren der zum Teil doch recht anspruchsvollen Straßen. Ich habe das eher pragmatisch gelöst. Und, mir hat jeder Einheimische freundlich gedankt, wenn ich also mal eben, wo es gepasst hat, seitlich ranfuhr und denjenigen vorbeiließ; typisch deutsches Gedrängel konnte ich zu keinem Zeitpunkt verzeichnen. Genug der mahnenden Worte, die am Ende ja eh nur lauten: relax, take your time, kann man auch auf deutschen Verkehr übertragen. 😀

Einschub (2): Why I love Madeira

Auf der Route ab Santana Richtung Sao Vicente geschah dann übrigens Folgendes. Ich teilte diese herzergreifende kleine Begebenheit in einer meiner Reisegruppen (das radebrechende Englisch müsst ihr mir verzeihen, bin aber bislang überall damit klar gekommen ^^).

I tripped around with my car and was on the road between Santana and Sao Jorge. Then I took a side road because the road sign sounds interesting. But I stranded in a small village with – for me – totally unclear road guidance and I got lost. Cruised about four times through the village and passed four times an elderly lady, last time she requested me to stop. She laughed friendly at me, couldn’t speak English, than she moved into my car and showed me the correct way to the main route again. We said goodbye both laughing and with a hug.
This is one example of many why I love Madeira so much. Not only because of its wonderful nature. ❤️💖 I hope it’s okay to share this time a little Madeira road story instead of a picture. Probably you have some stories also? Best wishes from Germany, stay safe and healthy!
„.

Miradouros auf Madeira, allgemein und speziell: Nordosten

Ich hab’s ja echt versucht, zu rekonstruieren, wie viele Miradouros, also, Aussichtspunkte, auf Madeira existieren. Nebenbei bemerkt, Madeira ist eigentlich eine verhältnismäßig kleine Insel: Aber ich vermute, es ist eine regelrechte Quest, die mehrere Wochen in Anspruch nehmen würde, jeden einzelnen Miradouro abzutrippen. Manche sind nämlich gar nicht direkt mit dem Auto erreichbar bzw. erfordern eine (kleine) Wanderung, wie z.B. von mir – geplant erkundet – der umwerfende Miradouro dos Balcões, dann mal wieder – komplett zufällig – entdeckt den Miradouro Garganta Funda, wo man nach einem (wirklich kleineren und auch für Unsportliche zu bewältigenden) Abstieg einen Wasserfall ins Meer stürzen sieht.

Die letzte, und ich glaube auch eher inoffizielle Zählung bezüglich der Anzahl der Miradouros auf Madeira in einer Reisegruppe ergab weit über 200. Gefühlt kommt die Zahl für mich gut hin.

Auf der Route entlang der Nordostküste zwischen Santana und Sao Vicente befinden sich dann schon echt zahlreiche Miradouros – und ich habe versucht, sie bei beiden Touren alle mitzunehmen, weil jeder Aussichtspunkt für sich wirklich ganz außergewöhnlich wunderschöne Panoramablicke bietet. Aber da es so viele Miradouros entlang der Nordostroute gab, konnte ich sie mir beim besten Willen nicht alle namentlich merken. Manche liegen direkt an der Straße, manche erfordern einen kleinen Abstecher, insgesamt sind sie wohl schwer zu verfehlen.

Ein Miradouro bei Sao Jorge
Ein Miradouro bei Ponta Delgada
Ziege müsste man sein.

Berühmte letzte Worte

Ich hoffe, euch mit diesem Beitrag den noch weitgehend unberührten Nordosten der Insel etwas näher gebracht zu haben. Lasst ihn nicht links liegen – es wäre sooo schade darum. Beim zweiten Aufenthalt hatte ich ja irgendwann das Gefühl, dass mir die Zeit wegläuft und es noch so viel mehr zu sehen und zu entdecken gibt. Deswegen wird es für mich definitiv ein drittes Mal (und vielleicht ein viertes, fünftes… – ach nee, wieso nicht gleich für immer?) auf Madeira geben, u.a. mit einem besonderen Fokus auf diesen besonderen Landstrich. Lasst es euch gut gehen und – bleibt gesund!

On the road, ER 101

https://www.portugal360.de/urlaub-reisen/sehenswuerdigkeiten/adlerfelsen-faial-auf-madeira

https://www.madeira-web.com/de/orte/santana.html

https://www.ocean-retreat.com/de/northcoast-de/madeiras-schoenste-route/

Reisestile, Reiseziele

Reisestil?

Das Wort existiert echt! Aber: Keine Ahnung, ob der Begriff frei erfunden ist oder tatsächlich eine reale Kategorie darstellt – allerdings belegte mir ein kurzes Googeln, dass dieser Begriff durchaus Verwendung findet. Deswegen erzähle ich heute ein bisschen über meinen persönlichen Reisestil, bevor es mit den Travelbooks weitergeht.

Vorab: Ich würde Reisestil als eine bestimmte Art des Reisens definieren, hierzu gehören auch Aspekte, die einem bereits vor einer Buchung bzw. einer festen Auswahl (Ort, Hotel, Hotelbedingungen, Ziel, usw.) wichtig sind.

Ich ganz persönlich mag es mittlerweile auch ganz gern mal ein wenig dekadent. Sprich, mit Luxus.

Die Zeiten sind vorbei…

… in denen ich ganz persönlich Urlauben noch etwas abgewinnen kann, in denen man schon total gestresst und erschöpft an seinem Zielort ankommt, dann entweder mit seinem ganzen Gepäck noch mühselig seine Unterkunft suchen oder diese sogar aufbauen muss. Als ich jung war, waren schlicht und ergreifend auch aus finanziellen Gründen nur solche Reisen drin: Möglichst nah und mit öffentlichen Verkehrsmitteln (Bus, Bahn, mein längster Trip dauerte 18 Stunden nach Bayonne, Frankreich) zu erreichen, die sich zudem am Boden, statt in der Luft, bewegten (siehe mein Beitrag über Flugangst), zum Teil eine absolute LowBudgetKombi aus Trampen und (wild) Campen; später dann vor Allem im Familienkontext Pensionen oder preiswerte Ferienunterkünfte, und trotz auch der ein oder anderen positiven Erfahrung waren doch viel häufiger als erwünscht und/oder erholsam ’ne fehlende Hygiene (episch eine Unterkunft, bei der Tochter und ich wegen Dreck, ja, Dreck, und massivem Schimmel und keinerlei Erreichbarkeit des Anbieters frühzeitig abreisen mussten), eine hohe Lautstärke bis hin zur Lärmbelästigung sowie Frühstücksgebäck, mit dem man Enten hätte totwerfen können, AllInclusive. Nee. Sorry, aber ich persönlich brauche sowas im Urlaub dann echt nicht mehr.

Im Rückblick gesehen bin ich zwar schon immer verreist. Aber nur ganz selten hat es sich dann überhaupt wie Reisen, geschweige Urlaub für mich angefühlt. Zum Beispiel: Echt unzählige Male in die Niederlande getrippt, zu jeglichen Jahreszeiten. Und: Mittlerweile kostet ein Aufenthalt dort in einer halbwegs passablen Unterkunft (ohne Schimmel, ohne Lärm, und ohne die fast schon obligatorische NL-Liebestöterbettritze) direkt am Meer fast genauso viel wie ein paar Tage woanders in einer nicht nur halbwegs passablen Unterkunft. Wo es zudem wärmer (und für mich persönlich ! hübscher, ich betone es, aus Gründen, s.u.) ist und es mehr zu sehen gibt als Dünen, Nordsee und Strandbars.

Für einen Spontanausflug sind die Niederlande jedoch, wie ich finde, durchaus immer noch gut, so geschehen erst im Dezember letzten Jahres, allerdings auch nur mangels Flugalternativen zu diesem konkreten und sehr spontanen Zeitpunkt ^^. Dennoch ist es einfach nicht mehr meine bevorzugte Art, auf Reisen zu gehen, zumal, wenn ich bereits weiß, was mich am Zielort erwarten wird und die Erkundungsmöglichkeiten alleine dadurch limitiert sind.

Reisestil-Mischform

Im Prinzip bin ich ein Mischtyp. Ich bin kein Backpacker und werde es auch niemals mehr werden, das ist mir ganz persönlich einfach viel zu anstrengend geworden; aber ich liebe es, zu erkunden, und je abseitiger ich von bekannten Pfaden und berühmten und manchmal überlaufenen Spots erkunden kann, umso besser. Insbesondere zieht es mich stets hinaus in die Wildnis, wenn ich unterwegs bin.

Ein reiner Badeurlauber bin ich auch nicht. Aber ich habe für mich festgestellt, dass es – für mich – nichts Cooleres gibt, als den ganzen Tag komplett auf eigene Faust (z.B. Mietwagen) ab früh morgens unterwegs gewesen zu sein, um ab nachmittags gechillt im Liegestuhl auf der eigenen Terrasse, dem eigenen Balkon zu aasen – und ja, mit Meerblick, bitt’sehr, wenn schon, denn schon – oder im Meer bzw. in einem Pool zu plantschen, der, wenn es geht, noch beheizt und hübsch gestaltet ist, ’nen guten Cocktail zu trinken und mich vor allem nicht mehr um die leidige Nahrungsaufnahme bzw. -zubereitung kümmern zu müssen.

Nebenbei, jetzt noch einmal zu AllInclusive: Zweimal gemacht, ein weiteres Mal brauche ich es nicht. Erstens trink‘ und ess‘ ich am Ende doch nicht so viel, wie es meine generelle Gefrässigkeit vermuten lässt, zweitens habe ich auch für mich festgestellt, dass die Speisequalität – ggf. durch AllIn bedingt – zu wünschen übrig lässt im Vergleich zu den Hotels, die ich mit „nur“ der Option auf Halbpension gebucht hatte.

Ein solcher Reisestil wie der meine kostet entsprechend Geld, was letztlich auch dazu führt, dass es nicht mal „soeben irgendwo“ sechs oder gar acht Wochen sein können. Hierzu würde aber auch meine Zeitplanung für Reisen an sich nicht allzu viel hergeben, und halt des Weiteren, dass ich mich im Urlaub auch einfach erholen möchte, dazu gehört für mich ganz persönlich letztlich etwas Luxus dazu. Das nennt man wohl Kompromiss. Ich mag es weiterhin sehr, dass ich mich in Urlauben in Hotels der höheren Preiskategorie einfach mal umsorgt fühle, ohne, dass ich mich großartig noch um etwas kümmern muss. Dieses „Verantwortung abgeben“ ist für mich ganz persönlich schon echt toll und etwas, dass ich eigentlich auf Reisen nicht mehr missen möchte.

Tipps: Die bisher schönsten Hotelanlagen

Ich möchte an dieser Stelle jetzt einmal die bislang schönsten Hotels supporten, in denen ich bisher gewesen bin. Diese Supports sind dadurch mitbedingt, dass ich dort ausnahmslos positive Erfahrungen machte, andere Hotels bzw. Hotelanlagen es sicherlich ebenfalls verdient haben, aber ich mich auch nicht mehrteilen kann, wie ich bereits auf diesem Blog schon einmal erwähnte – angesichts der aktuellen Situation mit Corona hatte ich letztlich eine Auswahl zu treffen. Das ist also meine.

1) Quinta Splendida Wellness & Botanical Garden auf Madeira
Warum: Das Hotel liegt inmitten eines botanischen Gartens, ist wunderhübsch gestaltet (ich bin ein kleiner Ästhet ^^), es bietet eine phänomenale Aussicht auf den Atlantik und die Ilha Desertas; das Essen ist großartig, besonders die Kuchen (Semifredos mit Obst, Nusskuchen, bei dem man vor Genuss auf der Stelle umfallen will), das Personal ist so lieb, herzlich und freundlich, dass man sich auch beim Alleinreisen nie allein fühlt. Ein ganz wichtiger Faktor.
Mein besonderes Highlight: Als Wiederholungstäterin bekam ich bei meinem zweiten Aufenthalt ein günstiges Upgrade auf die Spa-Suite. Und die war sowohl von der Einrichtung, als auch vom Ausblick her, unübertroffen, morgens mit Blick auf den Ozean aufwachen, das war neben der großzügig angelegten Terrasse schon phänomenal.
Preise: Immer noch günstiger als die Kanaren bei etwas mehr Luxus in der gleichen Hotelkategorie.

Ausblick von der Quinta, Sonnenaufgang.
Quinta Splendida
Quinta Splendida Suite mit Ausblick auf den Atlantik

Links
http://www.quintasplendida.com/
https://www.holidaycheck.de/hi/quinta-splendida-wellness-botanical-garden/af81de18-20fe-349f-9d13-fd810eae58e1

2) Atrium Prestige Thalasso Spa Resort & Villas auf Rhodos
Warum: ein Märchen. Das Hotel liegt im Süden der Insel in abgeschiedener Lage. Für alle, die es ruhig, aber maximal luxuriös mögen. Auch hier ist die Gestaltung einfach sagenhaft, bis hin zu dem grandiosen Infinitypool, der jedem dankbaren Urlauber die Tränen in die Augen treiben möchte, auch abends durch die Glitzerbeleuchtung ein absolutes Highlight. Das Essen war bzw. ist fantastisch, besonders, wenn man ein Faible für mediterrane Küche hat. Und ich habe noch nirgends so gute Cocktails getrunken, Christos von der Poolbar sei Dank. Maria hingegen versorgte mich morgens mit Insidertipps zur Erkundung und allgemein fühlte ich mich in der fröhlich-warmherzigen Stimmung in diesem Hotel pudelwohl.
Mein besonderes Highlight: Die durchsichtige Scheibe im Bad. So konnte ich von der Badewanne aus auf das Mittelmeer gucken. Und die hotelinterne App, mit der man sich z.B. Snacks und Getränke ordern konnte, ohne sich vom Liegestuhl (am Pool, am Strand) bewegen zu müssen (nebenbei: mein Verderben).
Preise: teuer! Ich habe damals via Tui (eine meiner wenigen Pauschalurlaube) für Ende September/Anfang Oktober, übrigens Superreisezeit nach Rhodos, ein Schnäppchen ergattert. Ich möchte auch unbedingt noch einmal in dieses Traumhotel, warte aber derzeit noch das Ende von Covid ab.

Aussicht. Der Infinitypool verschlägt einem den Atem.
Lobby
Sonnenaufgang vom Balkon

Links
https://www.atriumprestige.gr/de/
https://www.tripadvisor.de/ShowUserReviews-g1568712-d1418538-r629678958-Atrium_Prestige_Thalasso_Spa_Resort_and_Villas-Lachania_Rhodes_Dodecanese_South.html

3) Europe Villa Cortés in Teneriffa
Warum: Obwohl es mich selbst kein zweites Mal nach Teneriffa zieht (mehr dazu irgendwann in einem gesonderten Beitrag), dem Hotel an sich ist keinerlei Vorwurf zu machen. Eher eine ruhige, dafür aber sehr schön gestaltete Anlage inmitten des ganzen Trubels, das zur Hochsaison zu gewährleisten und maximale Entspannung zu ermöglichen empfand ich schon als „outstanding“. Sehr liebes und freundliches Personal, auch hier. Zu meinem Geburtstag gab es eine kleine Überraschung auf’s Zimmer, welche mich sehr gefreut hat.
Mein besonderes Highlight: Tatsächlich diese Oase der Ruhe inmitten des ganzen Trubels, die schöne Aussicht vom Balkon aus auf La Gomera, die hübsche Gestaltung, das sehr schöne Zimmer. Da passte von der Innenausstattung her alles und es saß jemand dahinter, der sich viele Gedanken darüber gemacht hat.
Preise: Ich behaupte mal keck, in der Kategorie in der Hochsaison (Sommerferien) auf den Kanaren noch vergleichsweise moderat.

Hotelansicht, im mexikanischen Stil gehalten.
Zimmer
Pool. Einfach chillen.

Links
https://europe-hotels.org/hotel-villa-cortes/home/?lang=de
https://www.tripadvisor.de/Hotel_Review-g562820-d255203-Reviews-Europe_Villa_Cortes-Playa_de_las_Americas_Arona_Tenerife_Canary_Islands.html

Berühmte letzte Worte

Es ist schon etwas schräg, aber ich habe mittlerweile die Erfahrung gemacht, dass man häufiger in der ein oder anderen Reisegruppe in sozialen Netzwerken oder sogar privat für seinen persönlichen Reisestil angegangen wird. Wieso auch immer. Scheint ein Reizthema zu sein. ^^

Deswegen einfach hier ein kleiner Appell:
Leute, lasst die Menschen einfach ihren Urlaub verbringen, wie es für sie und ihre Lebenssituation und ihren persönlichen Stil passend ist und sich gut anfühlt. Ich habe diesen Beitrag deswegen erstellt, um meinen eigenen Reisestil zu teilen, da sich vielleicht der ein oder andere wiederfindet und sich ein wenig Input rausnehmen kann. Weder möchte ich jemanden belehren, wie er seine Urlaube und Reisevorlieben in Zukunft zu gestalten oder gar zu genießen hat, noch will ich wem vorschreiben, wie das Reisen und Urlaube an sich anzugehen sind. Komischerweise bilden sich, was Reisen oder Urlaubsverhalten angeht, viel zu oft verschiedene Lager – so, als wären es irgendwelche Glaubenskriege, die zu führen notwendig sind.

Dabei ist das Reisen und ein Urlaub doch viel zu schön. Genießt es einfach! Wie, wann, wo, spielt dabei absolut keine Rolle, oder, für die „schönste Zeit im Jahr“, es sollte keine spielen. Was ich mag, mag dem anderen gar nicht zusagen. Was derjenige mag, käme für mich nicht in Frage.

Und! Eins eint uns Reiseverrückte doch immer, trotz den verschiedenen Reisestilen und Reisezielen: Neugier und Vorfreude auf etwas, was mal nicht dem Alltag entspricht. Und das sind, wie ich finde, sehr schöne Eigenschaften.

Virtual Travelbook (4) – Madeira

„Ich bin da halt so reingerutscht“ – Levadawanderung zum Grünen Kessel

Heute möchte ich eine weitere sehr persönliche Reiseerfahrung mit euch teilen, nämlich meine Wanderung auf der Levada do Caldeirão Verde. Diese gehört zu den faszinierendsten und für mich bedeutsamsten Unternehmungen, die ich jemals gemacht habe.

Es fing damit an, dass ich an einem Morgen während meines zweiten Urlaubs auf Madeira sehr früh wach war und spontan beschloss, mir auf der Halbinsel Ponta de São Lourenço den Sonnenaufgang anzuschauen und ein paar Fotos zu machen. Danach wollte ich weiter Richtung Queimadas und dort im Park (Lorbeerwald) – so zumindest der ursprüngliche Plan – einfach ein bisschen gechillt spazieren gehen.

Es war ziemlich bewölkt an diesem Morgen, sodass vom Sonnenaufgang nicht allzu viel zu sehen war. Ich war auch nicht die Einzige, die auf die Idee gekommen ist, sich bei Ponta de São Lourenço für ein schönes Sonnenaufgangsmotiv aufzuhalten – es war wirklich voll dort. Ich habe, bevor es weiter nach Queimadas ging, einen kleinen Abstecher zum Praia da Prainha gemacht, einem kleinen Natursandstrand bei Canical und die Ruhe des frühen Morgens genossen.

Praia da Painha

Parque Florestal das Queimadas

Auf dem Weg nach Queimadas nahm ich ein sehr nettes, rumänisches Tramperpaar mit, welches unterwegs war zu einer Wanderung auf den Pico Ruivo. Sie erzählten mir, dass sie bereits seit einem Monat in Madeira seien (die Glücklichen!) und sich so langsam an die etwas anspruchsvolleren Wanderungen herantasteten. Interessiert fragten sie mich, ob ich unterwegs sei zur Levada do Caldeirão Verde. Ich verneinte dies mit Verweis auf meine miserable körperliche Kondition und meine Unsportlichkeit. Sie lachten herzlich und berichteten mir, dass die Levada do Caldeirão Verde hinsichtlich z.B. der Überwindung von Höhenmetern nicht sonderlich herausfordernd sei, allerdings solle man schon schwindelfrei sein. Damit war das Thema dann ja auch (fast) schon für mich gegessen…

Wir verabschiedeten uns am Parkplatz Queimadas voneinander und ich begann meinen kleinen Spaziergang auf einem gut ausgebauten, breiten und übrigens barrierefreien Wanderweg mit einigen entzückenden Highlights auf dem Weg. Als ich vom Parkplatz aus losging, war es 9:30 Uhr.

Queimadas
Queimadas

Nach einer knappen halben Stunde hatte ich den Park Queimadas erreicht und schlenderte dort ein wenig herum. Dann musste ich natürlich früher oder später dieses Schild entdecken:

Ansage

Es war ja immer noch früh am Tag. Ich fühlte mich fit, frisch und vielleicht war ich auch ein wenig übermütig – oder besser gesagt, neugierig. Es ist ja nicht so, als hätte ich mich nicht vorab über die Wanderung zum Grünen Kessel informiert gehabt. Der Wanderführer von Rother lag an jedem Morgen aufgeschlagen neben meinem Frühstücksteller und auch ansonsten habe ich sehr viele Informationen über Madeira eingeholt, zum Beispiel mittels Nutzung diverser Facebookgruppen (Einschub: Diverse nützliche Links befinden sich unten im Beitrag!).

Das Ding mit dieser Levada war halt: Ich reiste alleine, und es wurde davor gewarnt, die Levada alleine zu wandern, für gewöhnlich nehme ich solche Warnungen ernst, ich bin kein waschechter Riskseeker, und mit meiner schlechten körperlichen Kondition habe ich Sofaheldin bei dem rumänischen Pärchen alles andere als kokettiert. Trotzdem hatte ich jetzt einfach mal Bock darauf, zumindest mal kurz zu gucken, was sich hinter dieser als besonders spektakulär angepriesenen Wanderung verbarg.

Auf dem Weg

Ich machte mit mir also vor dem Schild stehend folgenden Deal: Sobald meine Kräfte nachlassen sollten, ich an für mich nicht länger einschätzbar oder gar gefährliche Stellen komme, mir unwohl oder schwindlig oder was auch immer wird: Abbruch. So lange gehe ich jetzt mal wandern. Und los ging’s.

Bereits auf den ersten Metern auf der Levada veränderte sich die Landschaft. Es wurde stiller um mich herum. Ursprünglicher. Wilder. Kleine Tiere machten Geräusche im Unterholz, Vögel zwitscherten, und an großen Farmwedeln plätscherte Wasser herab, die Blätter rauschten im Wind – sonst war kein Laut mehr zu hören. Ich fand ein gutes Tempo für mich, was ich – mehr oder weniger – bis zum Ende der Wanderung auch beibehielt. Nicht zu schnell, aber auch nicht unzügig. Dennoch wurde ich von dem ein oder anderen geübten Wandertrüppchen überholt bzw. ließ diese vorbei, um wieder allein laufen zu können. Ich war übrigens nicht die Einzige, die den Weg alleine wanderte – aber mit Sicherheit die mit der beschissensten Ausrüstung. Zwar trug ich gute teure Sportschuhe, mit denen ich trittsicher war und die sich leicht anfühlten, aber ansonsten hatte ich nur eine kleine Wasserflasche in meinem Handtäschchen mit dabei. Da der Weg überwiegend schattig ist, musste ich mich um Sonnenschutz nicht kümmern. Trotz des schattigen Wegs und der feuchten Luft fror ich nicht und hatte meine wetterfeste Jacke um die Taille gebunden.

Am Anfang der Levada do Caldeirão Verde

Die erste Herausforderung lauerte auf mich unsportliches Wesen in Form des einzigen An- und Abstiegs auf der Levada: Hier zuckte ich kurz, denn ich war zwar nach wie vor absolut fit, aber machte mir bereits Gedanken über den Rückweg und behielt mir die Passage kräftetechnisch durchaus im Hinterkopf. Ich ging nach einer kurzen Verschnaufpause weiter und mit jedem Schritt, den ich tat, ging ich mehr und mehr in der Landschaft um mich und der Ruhe und Stille auf. Mein Kopf wurde zusehends auf eine angenehme, fast schon meditative Weise leer und mein Körper fühlte sich beschwingt und voller Fortbewegungsdrang an.

Um ca. 11 Uhr erreichte ich einen traumhaft schönen Wasserfall, an dem ich erneut eine kurze Rast einlegte. Bei dieser stellte ich dann doch fest, dass meine Wasservorräte wirklich sehr knapp bemessen waren. Ich würde mit meinem Wasser haushalten müssen. Bzw. ich überlegte mir sowas Dummes, ob es ungesund wäre, mir Wasser quasi von den ganzen natürlichen Quellen um mich herum zu zapfen (ich hatte nämlich jetzt schon Durst. Und früher in der Eifel tranken wir Kinder auch das Wasser ausm Bach. So!).

Bis zu diesem ersten Wasserfall war der Weg jedenfalls insgesamt absolut machbar und ich wunderte mich etwas, ob das denn so bleiben würde, weil wenn ja, dann konnte ich weder das mit der Herausforderung noch mit der Notwendigkeit der Schwindelfreiheit nachvollziehen. Haha. Ja, Irrtum.

Wasserfall auf der Levada do Caldeirão Verde

Ich checkte bei der Rast am Wasserfall auf meinem Handy den weiteren Routenverlauf und musste dann tüchtig schlucken, als dieser mir drei Tunnel ankündigte, die noch vor mir lagen. Öhm, wait. Tunnel?! Die hatte ich aus meinen verschiedenen Infoquellen so gar nicht mehr im Gedächtnis gehabt oder schlichtweg verdrängt. Gut, ich hatte ja meinen Deal mit mir selbst – wenn ich mich unwohl fühlte, aus irgendwelchen Gründen, dann: Abbruch. Aber jetzt war ich ja schon ein bisschen gewandert und bisher war alles easy gelaufen. Den Rest des Weges würde ich auch noch schaffen, dachte ich mir halt so. Und vor allem… Die Landschaft um mich herum zog mich mehr und mehr an und sog mich sozusagen in den Grünen Kessel hinein. Ich wollte weiterlaufen! Und tat es dann auch.

Ab dem Wasserfall wurde der Weg schließlich an einigen Passagen deutlich schmaler und nun tauchten auch die ersten Stellen auf, die sowohl sehr schmal, als auch mit Drahtseilen abgesichert waren. Mehr als vorher auf dem Weg musste ich auf meine Schritte, mein Tempo und meine Umgebung achten.

Drei Tunnel auf dem Weg

Und dann stand ich vor Tunnel Nummer eins, und zwar zögernd. Denn vor mir tauchte ein schwarzfinstres Loch auf und ich durchquerte diesen Höllenschlund dann letztlich zunächst auch nur, weil man vom ersten Tunnel aus noch Licht am Ende sieht. Und dann ist man – von einem Moment auf den anderen – wirklich in einer anderen Welt, in der Wildnis. Man blickt einen Abgrund hinunter auf einen Urwald, schaut hoch auf die Hänge gegenüber und sieht keinerlei Anzeichen mehr von menschlicher Zivilisation (Wanderer auf der Levada ausgenommen).

Tunnel Nummer zwei war für mich dann eine mentale und psychische Katastrophe. Der Tunnel zwei ist stockfinster, matschig, rutschig, extrem eng, niedrig (ich messe 1.80m und musste im Kriechgang dadurch) und vor allem gefühlt endlos lang. Während den Minuten des Durchquerens hatte ich nur noch Panikkopfkino vom Feinsten: „Was ist, wenn es ein Erdbeben gibt, was ist, wenn das jetzt einstürzt und du liegst hier, lebendig begraben…, was ist, wenn du jetzt und hier dein Ende findest in diesem pechschwarzen Loch inmitten der Einöde?“ Horror!

Als ich aus dem Tunnel raus war, stand für mich jedoch fest, dass jetzt der gesamte restliche Weg zu Ende beschritten wird. Koste es, was es wolle. Wenn ich mir schon sowas Heftiges antue, dann soll und muss es sich auch gelohnt haben, verdammt nochmal (auch, wenn es sich unterwegs schon hundertfach gelohnt hat, weil Weg ist das Ziel, und so weiter). Jetzt packte mich also der nackte Ehrgeiz. Jetzt wollte ich in den Grünen Kessel.

On my way

Into the Wild

Ich war mittlerweile wie eins mit der Landschaft um mich herum geworden, und obwohl gefühlt zum Ziel getrieben innerlich so ruhig, heiter und gelassen wie noch nie in meinem Leben. Hinzu kam ein kaum zu beschreibendes Gefühl von absoluter Freiheit und einem umfassenden Glück des Alleinseins. Jetzt und hier, nur die Natur und ich in dieser, mit ihr verbunden und ein Teil von allem. Das war eine so universelle, kosmische, fast schon spirituelle Erfahrung, die sich schwer in Worte fassen lässt. Auch wenn der Weg immer schwieriger und schmaler wurde, so hatte ich so langsam Vertrauen in meinen Körper, welcher die meiste Arbeit zu erledigen hatte, in meine Trittsicherheit, und daher auch in mich gefasst. Schwindlig wurde mir trotz den Abhängen neben mir übrigens zu keinem Zeitpunkt.

Dann durchquerte ich Tunnel Nummer 3 – auch bäh!!!, wenngleich nicht so schlimm wie Terrortunnel 2 – und erreichte gegen 12.30 Uhr das Ziel. Ich war im Grünen Kessel angekommen.

Caldeirão Verde
Der Wasserfall im Grünen Kessel

Im Caldeirão Verde war es rappelvoll und ich machte nur eine kurze Pause, um den Wasserfall und den Grünen Kessel selbst zu bestaunen. Ich wollte nämlich unbedingt wieder los, bevor sich die ganzen Wandergruppen ebenfalls auf den Rückweg begaben. Bis zum Parkplatz lagen jetzt wieder ca. 7,5 km vor mir. Also packte ich es an.

Rückweg

Ich war immer noch körperlich fit und frisch und munter, was mich doch sehr überraschte, aber das war sicherlich auch meinem Hochgefühl, es geschafft zu haben – ich war wirklich den ganzen Weg gelaufen! – geschuldet. Daher gestaltete sich der Rückweg trotz einiger durchaus riskanter Ausweichmanöver zunächst als zügiger als der Hinweg, hatte ich doch aufgrund meines Glücksgefühls den Eindruck, mit jedem Schritt förmlich zu schweben. Ich war echt high!

Die Ausweichmanöver liefen dann so ab, dass man sich auf der recht schmalen Levadakante bei entgegenkommenden Wanderern – die immer mehr wurden, da musste es wohl ein Nest gegeben haben – quasi über der Levada selbst auf einem Bein balancierend an der Wand abstützen musste. Durch diese etlichen Manöver machte sich dann allmählich auch eine erste körperliche Erschöpfung breit.

Im Terrortunnel Nummer zwei, ich werde ihn bis ans Lebensende hassen, passierte es dann. Mit gezückter Handytaschenlampe bahnte ich mir gebückt den Weg durch die Finsternis und zack: ich rutschte aus. Mein Hintern und mein Handy nahmen Bekanntschaft mit Madeiratunnelschlamm. Weiterhin trug ich eine Abschürfung an der Hand davon, den Matsch an der Wunde spülte ich mir ohne großartig zu zögern in der Levada ab, bis auf ein paar blaue Fleckchen blieb ich zum Glück ansonsten unverletzt. Mein Handy leidet bis heute an den Folgen des Sturzes – die Ladebuchse war voller Schlamm, der, zurück im Hotel, mühselig entfernt werden musste, seither kann ich Schnellladen und Kopfhörer benutzen vergessen.

Nach dem ganzen Gekrauchel und Tunnel Nummer drei machte sich nun richtige körperliche Erschöpfung in mir breit. Und mein Wasservorrat ging zuneige. Den allerletzten Schluck sparte ich mir auf für die An- und Abstiegspassage, die noch vor mir lag. An dem Wasserfall machte ich erneut kurze Rast. Langsam murrten meine Füße, aber vor allem schmerzte mein Rücken wegen dieser ungewohnten körperlichen Anstrengung.

Nach der An- und Abstiegspassage war dann auch körperlich schon beinah Game Over. Mir tat alles nur noch weh, vor allem mein Rücken fühlte sich an, als wollte er auf der Stelle durchbrechen, und ich fing an, mich nur noch mit purer Willenskraft weiterzubewegen. Und so erreichte ich den Queimadaspark, wohlwissend, dass ich jetzt noch gut einen, anderthalb Kilometer zum Parkplatz zu laufen hatte. Andere stiegen bereits beim Park in ihre Autos und ich wollte mich echt in dem Moment für meine Spontanaktion verfluchen.

Willenskraft

Ich musste noch mal meine ganze Willenskraft aufbieten, und dann auch noch auf die Cola im Park verzichten, weil sich vor dem Getränkeverkauf eine lange Schlange gebildet hatte. Also weitermarschieren. Nutzte ja alles nix. In meinem Kopf waren nur noch Gedanken wie: „Ab zum Auto, da gibt’s Wasser. Ab zum Hotel, an die Poolbar, da gibt es Cola mit Eiswürfel. Ab auf den Liegestuhl bei mir auf der Terrasse, Beine ausstrecken. Ab in die Badewanne. Ab dafür jetzt!“

Auf dem letzten Kilometer stolperte ich auf dem Weg ein paarmal vor mich hin, so erledigt war ich mittlerweile, und hatte jedes Mal beim Stolpern Angst, mich jetzt gleich mal so richtig auf die Schnauze zu legen. Gedanklich war ich jetzt nur noch auf die herumliegenden Wasserflaschen im Auto reduziert. Der Weg erschien mir länger und länger zu werden, es schien gar kein Ende mehr in Sicht zu sein.

Gegen 15:30 Uhr erreichte ich dann aber endlich, endlich mein Auto und ließ mich mit einem Ächzen der Erleichterung auf den Fahrersitz fallen. Sogleich kippte ich mir eine der kleinen Wasserflaschen auf Ex. Vollkommen k.o. machte ich mich auf den Weg zurück ins Hotel nach Canico. Auch die Fahrtstrecke bewältigte ich letztlich nur mit purer Willenskraft.

Rückblick

Wenig später, als ich gestärkt von einer köstlich kühlen Coke am Pool saß und mich die Nachmittagssonne wärmte, hatte sich die körperliche Erschöpfung in eine der angenehmen Sorte gewandelt. Und mit einem Mal war auch ein absolutes Hochgefühl an Befriedigung da, und ja, auch Stolz: unfassbar? Ich? Ausgerechnet? 15 km einen solchen Weg alleine gewandert?! Ohne zusammenzubrechen unterwegs? Die, die Zuhause keinen unnötigen Schritt unternimmt, deren Wege bestehen aus Sofa – Küche, Sofa – Bad und Sofa -Bett?!?!

Auch im Nachhinein kann ich es oft immer noch nicht fassen und will mich manchmal kneifen. Dieses Erlebnis auf der Levada gehört mit zu den bewegendsten und, ja, Dramatik, für meine gesamte Entwicklung bedeutendsten, die ich je gehabt habe. Ein Kern meiner Persönlichkeit ist, und dessen war ich mir lange nicht bewusst, frei, mutig, und auch ein bisschen wild und risikofreudig zu sein, nicht nur ängstlich, nicht gehemmt, nicht nur träge, nicht lahmarschig, nicht (nur) (körperlich) faul.

Ob ich diese Erfahrung ohne das Reisen gemacht hätte? Ob ich derlei Erkenntnisse über mich und meine Persönlichkeit gewonnen hätte? Ob ich in dem Maße zu mir gefunden hätte? Vertrauen in mich gewonnen hätte, in meine Fähigkeiten, meinen Körper? Ich glaube nicht.

Berühmte letzte Worte

Wenn ich abschließend noch einen guten Rat erteilen darf, aber ohne, dass ausgerechnet von mir der mahnende Zeigefinger kommt. Falls ihr – spontan oder auch nicht – auf eine solche Wanderung geht:

Nehmt verflucht nochmal genug Wasser mit! 😀

http://www.visitmadeira.pt/de-de/erkunden/detalhe/-waldpark-%E2%80%9Equeimadas%E2%80%9C

http://www.visitmadeira.pt/de-de/was-machen/aktivitaten/forschen/pr9-levada-do-caldeirao-verde

https://www.facebook.com/groups/madeirafreunde/

https://www.facebook.com/groups/madeiraislandgroup/

https://www.rother.de/rother%20wanderf%FChrer-madeira-4274.htm

Virtual Travelbook (3) – Madeira

This is Madeira Island (2)

Bei meinem ersten Aufenthalt hatte ich keinen Leihwagen, unternahm jedoch einige Rundtrips, u.a. geführte Jeeptouren (der Anbieter True Spirit ist beispielsweise echt zu empfehlen, Links befinden sich unten im Beitrag). Um sich einen ersten Eindruck zu bilden, war eine solche Vorgehensweise absolut in Ordnung, viele wesentliche Highlights sind bei derlei Touren inkludiert. Dennoch bemerkte ich während meines zweiten Aufenthalts, wie viel einem letztlich entgeht, wenn man nicht auf eigene Faust bzw. mit einem Leihwagen unterwegs ist. Auch ist natürlich ein weiterer und deutlicher Vorteil, wenn man selbst erkundet, dass man sich für die ganzen Spots so viel Zeit nehmen kann, wie man selbst möchte oder sich einteilt und nicht angewiesen ist auf eine Tourplanung Dritter.

Nichts desto Trotz waren die Jeeptouren jeweils schöne und auch lustige Erlebnisse, welche ich keinesfalls missen möchte. Eine der Touren führte zu Madeiras Nord(west)küste. Bei meiner zweiten Reise nach Madeira hielt ich mich öfters in dieser schönen, wilden Gegend auf und variierte meine Trips je nach Lust und Laune. Heute erzähle ich ein wenig über meinen ersten Trip auf eigene Faust an die Nordostküste im Leihwagen.

Sao Vicente – Seixal – Ribeira da Janela – Porto Moniz

Das Hotel Quinta Splendida befindet sich in Canico, im Süden der Insel, dennoch sind die Fahrtwege auf der Insel je nach Strecke verhältnismäßig kurz, zumindest, wenn man eine der Hauptrouten nimmt. Zu den Serpentinenrouten komme ich später mal.

Ich startete früh morgens, um möglichst viel Zeit an der Nordküste verbringen zu können. So viele schöne Erinnerungen hatte ich an diese herrliche, wilde Küstenlandschaft, dass ich mich wie verrückt auf ein Wiedersehen freute.

Bereits die Route von Ribeira Brava nach Sao Vicente ist ein Erlebnis für sich, wenn man durch die Täler fährt, umgeben von diesem großartigen Bergpanorama. Kurz vor Sao Vicentes Küstenabschnitt machte ich einen kurzen Halt und einen kleinen Spaziergang.

Bei Sao Vicente
Bei den Grutas

Da es noch sehr früh morgens war, hatten die Grutas de Sao Vicente – Höhlen, welche besichtigt werden können – noch geschlossen. Aber ich bin sowieso kein Höhlenmensch, höhö, siehe Folgebeitrag zu den Tunneln des Schreckens, sodass ich auf einen Besuch ohnehin verzichtet hätte. Zudem zog es mich ans Meer! Von meinem ersten Aufenthalt wusste ich noch, wie heftig die Brandung an der Nordküste sein kann und ich freute mich extrem auf das bevorstehende Wellenspektakel.

Auch im weiteren Verlauf meiner (zweiten) Reise zog es mich oft an den Strandabschnitt bei Sao Vicente zur Wellenbeobachtung. An diesem Tag hatte ich richtig Glück mit meterhohen Brechern, richtig gefetzt hat es dann später am Tag in Porto Moniz.

Bei Sao Vivente

Doch bevor es nach Porto Moniz ging, spazierte ich in Sao Vicente ein wenig an der Küste entlang und fuhr dann weiter zum Miradouro do Veu da Noiva. Nicht nur, um die spektakuläre Aussicht auf den Wasserfall direkt am Meer zu genießen, sondern auch, weil ich mir damals bei meiner ersten Reise im dortigen Tourishop ein Tuch in regenbogenfarben gekauft hatte, welches ich leider wenig später auf Mallorca verlor. Ich hatte Glück im Tourishop und kaufte mir dort direkt mehrere der Tücher auf Reserve (später fand ich dann heraus, dass man die Tücher in Funchal quasi nachgeschmissen bekommt ^^).

Miradouro do Veu da Noiva

Vom Aussichtspunkt aus fuhr ich weiter nach Seixal, einem kleinen Dörfchen, welches wir damals während der Jeeptour nicht besucht hatten. Seixal bot neben einer ebenfalls spektakulären Brandung auf einer begehbaren Klippe ganz abgefahrene Kunstwerke.

Einen nächsten, längeren Stopp machte ich dann bei Ribeira da Janela, bekannt für seinen Felsen. Die Brandung war auch hier sehr stark an diesem Tag und ich durfte über die Dummheit einiger Mitmenschen staunen. Eine Frau saß viel zu nahe an der Wasserlinie und wurde dafür mit einer tüchtigen Dusche abgestraft.

Ribeira da Janela, Felsen

Als ich in Porto Moniz ankam, war es bereits mittags und es gelüstete mir nach einer Cola, zunächst jedoch war keine aufzutreiben. Schließlich landete ich auf der Dachterrasse vom Restaurant Olhos d’Agua und konnte von der Terrasse aus die Aussicht auf die meterhohen Wellen genießen. Die Brandung war an diesem Tag so stark, dass die Lavaschwimmbecken von Porto Moniz geschlossen waren, was einige Wagemutige allerdings nicht davon abhielt, sich trotzdem da rumzutreiben und auch zu schwimmen. Mir war das zu viel der Action, stattdessen machte ich noch einen kleinen Abstecher ins ortsansässige Aquarium.

Porto Moniz, Olhos d’Agua
Porto Moniz, Aquarium

Da ich nicht dieselbe Route zurücknehmen wollte, tüftelte ich mit meiner Straßenkarte eine Alternativroute für den Rückweg aus. Dieser führte unter anderem über Paul da Serra, der Hochebene Madeiras, und den Encumeadapass. Diese Route und die Spots sind jedoch so toll, dass sie einen eigenen Beitrag verdienen. So oder so hatte ich nach diesem Tagestrip ein absolutes Hoch- und Glücksgefühl und mein Herz wollte schier platzen wegen den ganzen wunderschönen Orten und Aussichtspunkten auf dem Weg.

Keep safe and healthy!

Virtual Travelbook (2) – Madeira

This is Madeira Island (1)

Im ersten Beitrag habe ich ja vielleicht bereits durchklingen lassen, welche große persönliche Bedeutung das Reisen – aber auch Madeira selbst – für mich innehat. Aber unabhängig von diesem, nun, Befreiungsschlag an sich und für mich: Flugangst überwinden, sich dadurch die Welt eröffnen, und dann ankommen in einer Welt, in der man sich gleichzeitig fremd und doch mehr Zuhause fühlt als irgendwo anders – Madeira an sich und für sich wird das noch lange nicht gerecht.

Das war bereits das Gefühl bei meiner ersten Reise dorthin, in der ich nur einen kleinen Ausschnitt erhielt bezüglich der ganzen Schönheit, die sich dort offenbart, während ich bei meinem zweiten, deutlich längeren Aufenthalt immer wieder den Eindruck gewann, dass mir die Zeit regelrecht wie Sand unter den Fingern davon rinnt, wo ich noch so viel sehen, sehen, sehen und entdecken möchte, wenn ein jeder Quadratzentimeter es buchstäblich wert ist und nur darauf wartet, wahrgenommen zu werden, mit allen Sinnen, die man so hat.

Bei meinem ersten Aufenthalt war der Starting Point diverser Unternehmungen vorwiegend Funchal, und das ist mit Gewissheit nicht der Schlechteste. Die Hauptstadt Madeiras hat nämlich so Einiges zu bieten: Eine hübsche Promenade, interessante Bauten, Gärten und etliche Parks, lebendige Märkte, Whale Watching (unbedingt mitnehmen!) und – so viele spektakuläre Ausblicke, dass einem die Worte fehlen – oder man in Gefahr läuft, sich endlos zu wiederholen: atemberaubend, überwältigend, wunderschön.

Monte Palace Garden Funchal

Dieser Ort wird für immer zu meinen absoluten Lieblingsorten zählen. Monte ist in gewisser Weise kein Stadtteil von Funchal, wobei der Übergang zwischen Funchal und Monte für Nichteinheimische schwer zu differenzieren sein dürfte. Zweimal war ich bisher im Monte Palace Garden. Beim ersten Mal (Januar 2019) nahm ich die Seilbahn (Funchals berühmte Cable Car), hatte aber einfach zu sehr mit (fehlender) Schwindelfreiheit zu kämpfen, sodass ich beim zweiten Mal (Februar 2020) auf eine weitere Mutprobe verzichtete und schnöde den Bus nahm (war allerdings auch aufgrund des Gefälles und der engen Strassen eine gewisse, nun, Herausforderung für die Ängstlichen bedeutet).

Der Monte Palace Garden holte mich bereits beim ersten Mal ab mit seiner Urwaldvegetation (bis dahin hatte ich noch nicht den „richtigen“ Urwald Madeiras gesehen; siehe Beitrag zur Wanderung zum Grünen Kessel), dem Museum für afrikanische Kunst und dem Aussichtspunkt auf Funchal, Funchals Bucht und den Hafen. Beim zweiten Mal nahm ich mir trotz schlechten Wetterbedingungen (strömendem Regen) noch mehr Zeit und wandte mich vorwiegend Details zu.

Und nun möchte ich auch einfach Bilder, statt Worte, für sich sprechen lassen.

Ausblick auf Funchal, Januar, 2019.

Virtual Travelbook (1) – Madeira (oder wie alles begann)

Was Reisen für mich bedeutet – Teil 1

2018 war eines der schlimmsten Jahre meines Lebens. Ich steckte knietief in einer handfesten Lebenskrise – nicht die erste in meinem Leben, aber die erste, in der meine üblichen Bewältigungsstrategien völlig versagten – sodass ich regelrecht dazu gezwungen war, von diesen abzuweichen und mal etwas anderes, ganz Neues auszuprobieren.

Seit meiner Kindheit litt ich an extremer Flugangst. Im Alter von 12 Jahren befand ich mich mit meiner Oma auf dem Rückflug von Tunesien. Das Flugzeug erreichte seine Flughöhe nicht – ein Maschinenschaden war der Anlass, wie uns der Pilot damals mitteilte. Mit 12 Jahren steckt man einen solchen Vorfall zunächst in der akuten Situation selbst ganz gut weg; dennoch blieben die Erinnerungen daran echt sehr plastisch: Dass wir acht Stunden insgesamt für den Rückflug benötigten, zwischenzeitlich in München landen mussten, um aufzutanken; dass wir über den Alpen in extreme Turbulenzen gerieten, echt eine unangenehme Angelegenheit, so insgesamt.

Ein altes Reitersprichwort besagt, wenn du vom Pferd fällst (und du nicht ernsthaft verletzt bist), steig sofort wieder auf. Leider hatte ich in den kommenden Jahren keinerlei Gelegenheiten mehr für eine Flugreise, sodass die Erinnerungen an diesen Flug zusehends angstbesetzter wurden und mir im Laufe der Jahre alleine beim Gedanken an eine Flugreise bereits der kalte Panikschweiß ausbrach.

2018, also: Ich hatte schon immer eine Sehnsucht danach, zu reisen, die Welt zu erkunden, und war zusehends unzufrieden mit dem ständigen Angewiesensein auf Transportmittel wie Auto, Zug, oder gar Bus. Insofern gesellte sich zu der Notwendigkeit, in dieser Lebenskrise mal etwas Neues auszuprobieren, auch eine gewisse Gleichgültigkeit meiner Flugangst gegenüber dazu. Nach dem Motto: Hast eh nix zu verlieren, höchstens zu gewinnen (ich steh auf Fatalismus. Kann unter Umständen Leben retten).

November 2018 buchte ich also unter diesem Eindruck von Fatalismus („was soll’s, dann stürzt das Ding halt ab!“) und dem Gefühl, meinem Leben einen grundlegend anderen Input verpassen zu müssen, weil es so einfach nicht mehr weiterging (arbeiten, funktionieren, abends heulen, morgens heulen, arbeiten, funktionieren, heulen) einen Flug nach Madeira für Januar 2019. Und damit habe ich mir das Tor zur Welt eröffnet – und ja, Trommelwirbel, dramatischer geht es wohl kaum – auch zu mir selbst.

Flug CGN (Köln-Bonn) – FNC (Funchal Airport), Januar 2019

Völlig tiefenentspannt und erstaunlich unängstlich (Fatalismus!) saß ich am Flughafen CGN und freute mich sogar auf den bevorstehenden Flug an sich, ohne gedanklich bereits am Ziel zu sein. Madeira hatte ich nur deswegen ausgewählt, weil allerorts als „Blumeninsel im Atlantik“ angepriesen (und ich mag Blumen), annehmbare Temperaturen im Winter, und verhältnismäßig günstig (im Vergleich zu z.B. den Kanaren) – von der Insel selbst hatte ich bis dato keinen blassen Schimmer (shame on me. Oder auch nicht, denn da ich nicht wirklich wusste, was mich erwartet, war das Erlebnis an sich umso überwältigender. Dazu irgendwann mal mehr).

Noch immer frohgemut betrat ich das Flugzeug. Als sich die Tür schloss, bekam ich ein leichtes, aber immer noch marginales und somit zu verkraftendes Beengungsgefühl. Wohlweislich hatte ich mir einen Sitzplatz am Gang ausgesucht und nicht am Fenster, um mich nicht sofort zusätzlich mit Höhenangst zu überfordern. Der Flug damals war kaum gebucht und dementsprechend beinah menschenleer, was diesen kurzen Anflug von Klaustrophobie sofort wieder relativierte. Auf der Rollbahn steckte ich mir sodann meine vorbereitete Playlist ins Ohr und hatte für ein paar Sekunden ein richtiges Glücksgefühl. Ich steh nämlich total auf Geschwindigkeit. Ab dafür, und yeah!

Dann jedoch zog der Flieger nach oben und mir wurde von jetzt auf gleich schwindlig und ich hatte das Gefühl, komplett die Orientierung zu verlieren, ich wusste nicht mehr, wo unten, oben, links und rechts ist. Und zack, war die Panik da und zwar mit voller Wucht. Also ganz bewusst atmen, atmen, atmen, aber auch das half nicht wirklich, stattdessen krampfte ich mich immer wieder im Sitz fest und hechelte panisch vor mich hin, statt bewusst zu atmen.

Fast viereinhalb Stunden durchlebte ich angstmäßig die Hölle auf Erden; in meinem Kopf rasten nur noch Gedanken wie „gleich explodiert das Gefährt, du kannst hier nicht raus“, oder „es stürzt ab“, bei jeder simplen Pilotendurchsage schloss ich innerlich bereits mit meinem Leben ab. Fatalismus, adios! Das Leben hatte mich wieder! Trotz der ganzen Angst verspürte ich in diesen viereinhalb Stunden mal das genaue Gegenteil von Todessehnsucht – ist ja auch eine Erfahrung.

Der Flughafen von Funchal gehört angeblich (immer noch? Man benötigt jedenfalls aufgrund der Fallwinde eine spezielle Lizenz) zu den Top Ten der gefährlichsten Flughäfen auf der ganzen Welt. Nur gut, dass ich vorher davon nichts wusste. Davon abgesehen war ich beim Landeanflug, der tatsächlich extrem spektakulär ist, mit einem Mal wieder tiefentspannt. Hauptsache, runter mit dieser Todesmaschine und raus aus dieser.

Ankunft in FNC (Funchal Airport), Januar 2019

Der Landeanflug gestaltete sich so: Das erste Mal auf diesem Horrorflug, dass ich mich wagte, aus einem der Fenster zu schauen. Vor einem im Atlantik erscheint eine Wolkenfront, welche Madeira umhüllte an diesem Tag (und bei meinem zweiten Anflug ebenso). Das Flugzeug geht weiter runter und durchbricht die Wolkenfront; dann tauchen vor einem grünbewachsene Berge auf und unter einem die Desertas auf. Das Flugzeug sinkt weiter und geht parallel in eine verhältnismäßig (im Vergleich zu anderen Anflügen) steile Kurve. Jetzt überfliegt man nunmehr und sozusagen handgreifbar zahlreiche schmucke Häuschen mit den madeiratypischen, orangefarbigen Dächern; dann ist man auf der Rollbahn und es wird mehrfach ruckartig und sehr zackig abgebremst, weil das Rollfeld selbst trotz einem Anbau nicht sonderlich lang ist. Und dann steigt man aus und ist in einer völlig anderen Welt.

Die Temperaturen sind lau und frühlingshaft warm, wenn man geradewegs aus dem deutschen Winter kommt, beinah schon: heiß. Es riecht nach Blüten und Meer, die Luft ist überall auf der Insel (außer auf den Gipfeln) regelrecht gesättigt von dem Duft.

Innerhalb kürzester Zeit bin ich wie erschlagen von der (für mich) Fremdartigkeit und Exotik. Ich staune nur noch, bin überwältigt, kann es nicht fassen, so surreal ist das alles für mich; ab dem ersten Schritt, den ich auf diese Insel setze, befinde ich mich in einem Traum, aus dem ich nicht mehr erwachen möchte, in einem Märchen!

Zum ersten Mal werde ich diesmal hier eine Woche verbringen, zum ersten, aber nicht letzten Mal im Quinta Splendida in Canico, einem Hotel inmitten eines botanischen Gartens mit einer traumhaften Aussicht auf den Atlantik. Ich möchte weinen vor Freude und Dankbarkeit und tue es auch. Und auch das nicht zum ersten und letzten Mal auf dieser Reise, oder, auf allen Reisen.

Was Reisen für mich bedeutet – Teil 2

Ankommen. Ankommen an einem fremden Ort, wo ich ich selbst bin, weil ich selbst ein Fremdling bin, weil ich (zumindest an deutschen Maßstäben gemessen) schlichtweg anders bin, schon immer. Ankommen und von einem Moment zum nächsten den Wunsch in mir spüren, die Welt und das Leben in Gänze zu umarmen.

Freiheit. Aber auch dazu irgendwann mehr, weil Freiheit so ein dermaßen umfassender Begriff und ja, auch ein konkretes Erlebnis ist, dass eine Erklärung in diesen Beitrag nicht mehr passt. Freiheit ist assoziiert mit Erfahrungen und Unternehmungen, die ich nicht nur auf meiner ersten Reise nach Madeira mitnahm, sondern beispielsweise auch auf Mallorca (ohne Witz jetzt), Rhodos… Fuerteventura, etc..

Eine existenzielle Angelegenheit und Notwendigkeit. Reisen bzw. die Sehnsucht, wieder verreisen zu können, ist für mich ganz persönlich kein Luxusgezimper, ich stabilisiere mich dadurch, kann damit Krisen besser bewältigen und auch im Alltag zurechtkommen, zumal ich zudem weiß, was Verzicht, Einschränkungen, sowohl innerliche, als auch äußerliche, und demnach Armut bedeuten (Armut: Man hat nur noch ein paar Euro in der Tasche und muss echt grübeln, wie man sein Kind und sich überhaupt satt kriegt. Wie man Rechnungen bzw. die Miete bezahlen kann. Wie man bei jedem Einkauf rechnet und nachts vor Existenzangst kaum schlafen kann. Oder: Wie man angewiesen ist auf Erwachsene, weil man selbst minderjährig ist, und die Erwachsenen ihr Geld lieber versaufen, statt in Lebensmittel zu stecken, und wie man deswegen Hunger hat. Ja, Hunger. Das gibt’s auch in Deutschland und das ist leider auch etwas, dass ich persönlich erfahren habe).

Aktuelle Lage

Derzeit sind für Reisende und Reisewillige wegen der ganzen Coronageschichte düstere Zeiten angebrochen. Nicht jeder, der sich darüber „beschwert“, gerade nicht verreisen zu können, hat ausschließlich ein Luxusproblemchen, was ich mit diesem Beitrag unter anderem aufzeigen möchte. Da steckt oft sehr viel mehr dahinter. Und so geht es nicht nur mir!

Meine Gedanken sind des Weiteren tagtäglich bei den vielen lieben Menschen, die ich unterwegs auf meinen Reisen traf, und die durch die Coronakrise noch viel, viel mehr betroffen sind, als ich es bin. Weswegen ich mit diesem Blog jetzt auch einen gewissen Support liefern möchte. Diese Menschen arbeiten sehr hart, damit andere eine schöne, unvergessliche Zeit haben. Wenn das alles vorbei ist, sind sie auf diejenigen, die es sich leisten können – und ich schäme mich echt nicht mehr, dazuzugehören, denn ich habe mir alles in meinem Leben hart erarbeiten und erkämpfen müssen und bekam nie irgendwas „geschenkt“ – angewiesen. Deswegen supporte ich an dieser Stelle zunächst erst einmal das Quinta Splendida in Canico auf Madeira. Zwei wundervolle Aufenthalte rechtfertigen diese Empfehlung absolut, auch wenn andere es sicher mindestens genauso verdienen – ich kann mich nicht mehrteilen.

Ich habe für mich zudem beschlossen, die Sehnsucht nicht aufzugeben, sondern andere an meiner Reisefreude, meiner Neugier, meiner Offenheit bezüglich neuer Erfahrungen teilhaben zu lassen in Form eines virtuellen Travelbooks. Das werde ich ausführlich schriftlich hier tun, wie auch mit noch mehr Bildern hinterlegt auf meinem Instagramprofil unter https://www.instagram.com/perseichi/


Und ich hoffe einfach damit, ein kleines Licht zu entzünden in der ganzen momentanen Situation und andere an diesem Leuchten teilhaben zu lassen.

Keep safe and healthy.

http://www.quintasplendida.com/
https://www.tripadvisor.de/Hotel_Review-g580258-d320754-Reviews-Quinta_Splendida_Wellness_Botanical_Garden-Canico_Madeira_Madeira_Islands.html
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