Virtual Travelbook – Madeira (6)

Hoch hinaus (1)

Nachdem ich nun bereits unter anderem ein wenig über Madeiras wunderschöne, wilde Küsten und meine Levedaerfahrung geplaudert habe, möchte ich diesmal einen kleinen Einblick in einen Abschnitt von Madeiras Hochland geben. Ich kann an dieser Stelle ganz grundsätzlich nur einmal Folgendes betonen: Obwohl die Insel wirklich nicht groß ist, hatte ich, egal, wo ich mich befand, jedes Mal das Gefühl gehabt, an völlig verschiedenen Orten zu sein. Diese unglaubliche landschaftliche Vielfalt ist eventuell für mich genau das, was Madeira für mich zu einem ganz besonderen Fleckchen Erde macht und ich hoffe, euch die Vielfalt durch meine Erlebnisberichte ein klitzekleines bisschen näher bringen zu können.

Ab Porto Moniz gen Süden

Wie hier bereits angekündigt https://perseichi.com/2020/04/22/virtual-travelbook-3-madeira/ widme ich diesen Beitrag der Route Paul da Serra – Encumeadapass, einer Alternativroute zur Schnellstraße zwischen dem Norden und Süden der Insel, und switche zunächst zurück zu besagtem Tag, an welchem ich ohne Navi, nur mit altmodischer Straßenkarte, diese Route austüftelte.

Ich startete dabei ab Porto Moniz und sah mich erstmalig auf Madeira in meinem kleinen Fiat-Leihwagen vor persönlich doch extreme Herausforderungen an meine Fahrkünste gestellt (und nicht zu vergessen, Vertrauen in mein Mietauto und vor allem in dessen Bremsen). Los ging es mit einer schon recht ordentlichen Steigung in den höher gelegenen Ortsgebieten von Porto Moniz, inklusive für deutsche Verhältnisse der Beachtung recht enger Kurven bei seitlich parkenden Autos und Gegenverkehr.

Diese gesamte Situation sorgte für einen ausgewachsenen Adrenalinschub, sodass ich dann doch erst einmal maximal schissig bei nächstbester Gelegenheit anhielt, um meine Panik-vor-dem-Gefälle wegzuatmen und meine zittrigen Beine wieder in einer Weise unter Kontrolle zu bringen, die mir das Betätigen der Gangschaltung überhaupt erst ermöglichte. Halbwegs nach derlei Maßnahmen gefasst war ich dann aber durchaus dazu in der Lage, mein Gefährt und mich soweit wieder zu beherrschen, dass eine Weiterfahrt möglich wurde, auch wenn es dann im Folgenden zuerst im Straßenverlauf noch steiler, serpentinenreicher und enger wurde. Irgendwann jedoch hatte ich Porto Moniz (und die Serpentinen) soweit hinter mir gelassen, dass ich – erneut schnaufend – an einem Parkplatz rasten konnte, von wo aus eine absolut phänomenale Sicht auf Porto Moniz geboten wurde. Ich rauchte mir erstmal eine, um von dem Adrenalinkick wieder ‚runterzukommen, und genoß dabei in aller Ruhe den Ausblick. Dazwischen hatte ich noch eine nette kleine Plauderei mit anderen Madeira-Touristen, die soeben aus ihrem Ausflugsbus gestiegen und ganz neugierig waren, was ich, so ganz allein die Insel erkundend, vorhatte.

Aussicht auf Porto Moniz

Paul da Serra

Im Anschluss an diesen Parkplatz-mit-heftiger-Aussicht – hochwahrscheinlich einer von Madeiras zahlreichen Miradouros, aber, falls ja, so vergass ich damals vor lauter Aufregung den Namen des Aussichtspunkts – und den Haarnadelkurven wird sodann die Route für den nervösen Autofahrer endlich wieder gemäßigter. Da ich die Strecke im weiteren Verlauf mehrfach fuhr, verbuche ich im Nachhinein die steilen Serpentinen ab Porto Moniz als Erst-Schockmoment, der dem bis dato noch ungeübten Madeirastraßenfahrer kurzfristig ordentlich zusetzen kann, bis Gewöhnungseffekte eintreten :-).

Nach Abbiegen (Hinweisschilder) und der Durchquerung eines kleinen Waldabschnitts ist man bereits auf Madeiras Hochebene, der Paul da Serra. Hierbei handelt es sich um Madeiras zentrales Hochplateau. Die Temperatur kann hier im Vergleich zur Küste, nord- wie südwärts, um einige Grade deutlich abfallen; leichte, windfeste Jacken schaffen rasch Abhilfe. Die Gegend selbst besticht auf den ersten Blick durch blühenden Ginster, und zwar so weit das Auge reicht, eilig dahin ziehenden Wolken und der ein oder anderen Kuh, die urplötzlich, frei herumlaufend, im Nebel auftaucht. Bei wolkenlosem Himmel hat man von hier aus übrigens je nach Standort sowohl einen Blick auf die Nord-, als auf die Südküste.

Aww!
Blick auf die Südküste von Paul da Serra
Blick auf die Nordküste von Paul da Serra

Paul da Serra bzw. die Strecke über den Encumeadapass (beide Richtungen) dient zudem als Ausgangspunkt für Ziele auf Madeira, die sich in diesem Beitrag dann doch nur kurz anreißen lassen: Fanal, Madeiras „Feenwald“, dem Rabacal-Naturschutzgebiet und etlichen Levadas, u.a. in Paul da Serra selbst.

Tipp: Eine kleine, ebenerdige, aber ausgesprochen hübsche Levada spazierte ich (wandern darf man das nicht nennen!) bei einer meiner weiteren Touren auf der Paul da Serra entlang, in Stille und völliger Einsamkeit! Endpunkt war einer von Madeiras berühmten Barbecue-Plätzen – die Einheimischen lieben ihre Grillplätze, und ich im Übrigen auch – inmitten eines kleinem Wäldchens. Zu finden auf einer Seitenstraße der ER 110 hinter der Kreuzung, die zu Fanal führt.

Ein Barbecue-Platz in Paul da Serra

Paul da Serra – Encumeadapass

Aber ich schweife mal wieder ab, denn an jenem Tag 3 auf der Insel, während meines zweiten Madeiraaufenhalts, einem einzigen Tag von 14, wovon für mich jeder einzelne (zuzüglich den gerade mal sieben Tagen meiner ersten Madeirareise) zusammenfassend mindestens die Wertung legendär verdient hat, fuhr ich ja schlichtweg, zuzüglich ein paar Pausenstopps, die Strecke von Porto Moniz aus wieder auf die südliche Seite der Insel ab.

Am Ende des besagten Tages 3 hatte ich jedenfalls, vollkommen überwältigt von der Schönheit um mich herum, ein derartiges High, dass meines Erachtens keine Substanz dieser Welt ausreicht, um ein solches künstlich zu erzeugen: Inmitten dieser atemberaubenden Landschaft zu sitzen, die frische, klare Luft zu atmen, sich dabei auch ein wenig klein und vor allem ehrfürchtig zu fühlen, und zu denken: Das geschieht dir gerade, dir, ganz allein, in genau diesem Moment, den du für immer und immer behalten und festhalten wirst, vollkommen egal, was dir noch in deinem Leben passiert. Du kannst in deiner Erinnerung, die dir niemand mehr nehmen wird, für immer in diesen Moment zurück, indem du so unfassbar glücklich, lebendig und frei gewesen bist.

Encumeadapass
Wohlfühlselfie mittendrin

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